Ein mysteriöser Handschuh, der mit Schnüren durchzogen ist in Kombination mit einer VR-Brille: Auf den ersten Blick scheinen diese beiden Dinge nicht so recht zusammenzupassen, setzt man sie jedoch richtig ein, so erhält man ein medizintechnisches Produkt, das Menschen mit einer Handverletzung in Zukunft helfen soll. Cynteract heißt die Erfindung, die Gernot Sümmermann, Simon Heesen und Felix Reuter 2015 zum ersten Mal bei dem Wettbewerb Jugend forscht vorgestellt und bis heute weiterentwickelt haben.
Ob es beim Sport, durch einen Unfall oder einen Schlaganfall geschieht, eine Verletzung der Hand kann für den Betroffenen eine immense Belastung sein. Bewegungen und Handlungen, die für selbstverständlich gehalten werden, fallen dem Verletzten auf einmal sehr viel schwerer oder sind gar nicht mehr möglich. Man fühlt sich unfähig, eingeschränkt und hilflos, wenn einer der wichtigsten Teile des Körpers nicht mehr richtig funktioniert. Was folgt sind meist etliche Besuche beim Physiotherapeuten, der einem eintönige Übungen als Hausaufgaben aufgibt. Das Training ist oft monoton, mühsam und macht keinen Spaß. Eine Alternative muss her. Etwas, das den Verletzten motiviert und ihm direktes Feedback zu seinen ausgeführten Übungen gibt. Die Lösung ist ein Handschuh, der Bewegungen messen kann und dem Nutzer direktes Feedback gibt.
Wie funktioniert das?
An dem Handschuh sind jeweils zwei gegenläufige Schnüre an jedem Fingerglied angebracht. Diese Fäden enden in einem am Handgelenk angebrachten Motor, der dazu dient, die Stränge zu bewegen. Zusätzlich misst der Handschuh zu Beginn des Trainings die Funktionsfähigkeit der Finger. Dazu greift der Träger nach einem Gegenstand und umfasst ihn vollständig mit seiner Hand. Nun wird er aufgefordert so fest zuzudrücken wie möglich, damit im Anschluss die Kraft eines jeden einzelnen Fingergliedes ermittelt werden kann. Die Informationen werden an einen Computer gesendet, der dann die Werte anzeigt. Basierend auf diesem Wissen kann dann mit Hilfe eines Therapeuten ein Training ausgearbeitet werden, das der Nutzer bequem überall ausführen kann. Zudem kann der Handschuh seinem Träger direktes Feedback geben. Darin liegt auch der Unterschied zu vergleichbaren Erfindungen. Während andere Geräte die Bewegungen nur optisch erfassen können, ist der Handschuh zusätzlich in der Lage mit Hilfe der Schnüre direkt auf die Bewegungen des Nutzers zu reagieren. Die Erfassung der Bewegung wird durch die Schnüre um einiges präziser und feiner, als es bei anderen technischen Geräten der Fall ist.
Und wo bleibt der Spaß?
Das Besondere an dieser Therapie ist, dass der Handschuh in Kombination mit VR-Brillen genutzt werden kann, der Träger des Handschuhs also während seiner Übungen in virtuellen Welten agiert. So kann er dort zum Beispiel nach Dingen greifen, sie bewegen und werfen. Und das nicht nur mit Joysticks, Tasten oder Knöpfen. Greift der Nutzer zum Beispiel in der virtuellen Welt nach einem Glas, so straffen sich die Schnüre am Handschuh, die Hand schließt nicht komplett und auf diese Weise wird der nicht reale Gegenstand fühlbar. Das unterstützt die Freude am Training und führt dazu, dass der Verletzte öfter seine Übungen ausführt. Währenddessen sendet der Handschuh Informationen über die Bewegungen an den Computer und dieser wertet den Lernerfolg des Nutzers aus. Diese Daten sind dann auch für den Therapeuten verfügbar und zeigen ihm die Fortschritte seines Patienten.
Wo gibt es diesen Handschuh?
Bisher haben Gernot Sümmermann und sein Team zwei Prototypen entwickelt und müssen noch die ein oder andere Hürde überwinden bevor sie in Produktion gehen können. So müssen noch zwei Studien absolviert werden und Cynteract wird einer Klassifizierung unterzogen werden. Neben Gernot Sümmermann und Simon Heesen sind zur Zeit noch Moritz Hoffmann im Bereich Elektrotechnik und Manuel Wessely im Bereich Computerwissenschaft an der Entwicklung des Handschuhs beteiligt sowie weitere Studenten. Nach der Unternehmensgründung im letzten Jahr arbeiten die Erfinder weiter daran sich ein Netzwerk aufzubauen; ihr Ziel: „Wie Microsoft alles im Haus zu halten, Hard- und Software also nicht outzusourcen“, so Gernot. Eigentlich studiert Gernot auch noch Maschinenbau an der RWTH. Eigentlich, denn im Hinblick auf die Aktualität der Virtual Reality kann das Studium warten: „Wenn nicht jetzt, dann machen wir es nie mehr.“ Sein großer Wunsch ist es, dass der Handschuh bei allem Erfolg erschwinglich für jeden einzelnen wird. Mit einem Preis von 500 Euro wäre die Erfindung unter den medizintechnischen Geräten geradezu ein Schnäppchen. Doch ob dieses Ziel realistisch ist, bleibt abzuwarten.